Algorismus.
Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften.
Herausgegeben von Menso Folkerts und Andreas Kühne.
Heft
83.

Georg Friedrich Branders Briefe an das Kloster Polling (1754-1781)

von Peter Winkler

 

Typischerweise ist Schreiben nicht die bevorzugte Tätigkeit eines Handwerkers, zumal vor 250 Jahren. Ein Mechanikus lebte von der Fertigung seiner Produkte, Schriftstücke zu verfassen, fiel ihm eher schwer.

Nicht so bei Georg Friedrich Brander, dessen Instrumente in ganz Europa wegen ihrer Präzision begehrt waren. Er beherrschte nicht nur die Drehbank und die Feile, ihm flossen ebenso leicht Ansichten und Gefühle in die Feder. Dem Mathematiker und Astronomen Prosper Goldhofer und anderen Konventualen im Kloster Polling teilte er in zahlreichen Briefen nicht nur Geschäftliches und Technisches mit, sondern auch Persönliches und Zeitgeschichtliches. Zusätzlich erfahren wir immer wieder etwas über seine anderen Auftraggeber und Korrespondenzpartner.

Branders Schaffen und seine Instrumente sind bereits gut dokumentiert, seine jetzt verfügbaren Briefe vermitteln uns durch ihre Lebendigkeit einen Eindruck von seiner Persönlichkeit, seinem Wesen und Charakter. Er war stets bestens über das Zeitgeschehen informiert und verfolgte natürlich die neueste Entwicklung in der Technik. Dazu las er die Journale und entlieh sich deutsche und französische oder lateinische Literatur aus der Pollinger Bibliothek. Er kannte die ältere Literatur und wusste, ob eine vermeintliche Erfindung nicht schon früher realisiert worden war. Er entdeckte sogar Plagiate. Häufig kann er fertige Geräte  nicht zum Versandt bringen, weil er sich um Besucher kümmern musste, denn kein Physiker, Astronom oder sonstige bedeutende Persönlichkeit kam nach Augsburg, ohne seine Werkstatt aufzusuchen. So erfuhr er sehr viele Neuigkeiten, auch durch die Augsburger Verleger und Buchhändler.

Er beschaffte seltene Münzsammlungen, medizinische Geräte und antiquarische Bücher für Polling. Außerdem hören wir, dass der Magnetheiler Mesmer bei ihm zu Gast war, der Franzose Cassini de Thury viel von dem ihm vorauseilenden Nimbus verlor oder der Kartograph Rizzi-Zannoni nicht rechnen konnte.

Wir erfahren von einem Bündel Kepler Briefen und er berichtet über seine Kooperationen und Auftraggeber in der Schweiz, Pfalz, Kopenhagen, den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Italien. So vermitteln seine Briefe ein farbiges Zeitbild.